Tatsächlich wird in der alltäglichen Kommunikation das Haar tendenziell unterschätzt – um nicht zu sagen: ignoriert. Kein Wunder also, dass mehr als fünfundneunzig Prozent der Missverständnisse auf eine ungenügsame Interpretation von Haaren aller Art zurückzuführen sind. Darin inbegriffen sind die eigenen Haare, die uns mehr zu sagen haben, als wir wahrhaben möchten. Aber machen wir ein paar Beispiele.
Wenn Ihnen das Haar zu Berge steht, dann ziehen Sie die Wanderschuhe an. Begegnen wir hingegen einem uns unbekannten Hund, dessen Fellhaare sich aufstellen und der leicht knurrt, so wissen wir haargenau: Der will gestreichelt werden. Darum – und das ist einer der grössten Irrtümer von Zoowärtern weltweit – wollen Delfine weder berührt noch gestreichelt werden. Sie stellen niemals die Haare auf, und wir dürfen der Evolution danken, dass Delfine die menschliche Sprache nicht sprechen können. Wir würden mit Schimpf und Schande eingedeckt.
Aufgrund der Haare neigen wir ebenfalls dazu, Wesen zu klassifizieren, meist zu Unrecht. Sehen wir beispielsweise einen Chinesischen Nackthund, dann ist der uns ob seiner enormen Hässlichkeit auf Anhieb unsympathisch. Natürlich sollten wir uns dafür schämen, denn ein Langhaardackel mit gesundem, kräftigem Fell, beisst unter Umständen viel kräftiger in die Wade als ein Chinesischer Nackthund. Dackel gelten übrigens als überdurchschnittlich blöd. Und mehr als achtzig Prozent der Dackel-Besitzer tragen einen Schnurrbart.
Gerade in der Tierwelt spielen Haare eine grosse Rolle. Katzen mögen es ausgesprochen gerne, wenn man sie leicht an den Schnauzhaaren zupft. Nicht selten danken sie das mit einem spontanen Pfotenhieb, dessen Spuren uns noch Tage an den schönen Moment erinnern. Schafe, die soeben geschoren worden sind, werden von Schafen, die Ihre Wolle noch tragen, mit extrem fiesen Sprüchen eingedeckt. Das ist so ähnlich wie mit Engländern, die am ersten Urlaubstag auf Mallorca ihre Landsgenossen, die bereits zwei Tage auf Mallorca sind, aufgrund deren Sonnenbrand auslachen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Treten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, häufiger in Kontakt mit Ihren Mitmenschen – und sei es auch nur durch ihre Haare. Das hilft. Es gibt Partnerschaften, in denen fast ausschliesslich via Haupthaar diskutiert wird. Das spart Nerven und schont die Stimmbänder. Die einzige Gefahr: Hängt die Frisur eines Morgens schief, dann tut es ihr der Haussegen gleich. In diesem Sinne: Auf Wiederlesen, kämmen Sie gut!