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Hinter den sieben Bergen

3. November 2015

Und überhaupt: Warum ist keiner der sieben Zwerge dunkelhäutig? Ein Asiate ist ebenfalls nicht mit von der Partie, was einen grossen Teil der Weltbevölkerung ausgrenzt. Also ehrlich, niemand will hier von latentem Rassismus sprechen, nein, es ist ja bloss ein Märchen (genauso wie Rassismus in der Schweiz eines ist), aber bemerkenswert ist das allemal. Schneewittchen muss ein arisches Märchen sein. 

Da können wir uns von den Amerikanern eine Scheibe abschneiden. In Kriegsfilmen zum Beispiel ist immer mindestens ein Dunkelhäutiger vertreten, der – meistens gegen Schluss – sein Leben opfert (für einen Weissen) und alles ein gutes Ende nimmt, für Amerika, und für uns alle, natürlich. Wo waren wir stehen geblieben? – Ach ja, bei Schneewittchen und den sieben Zwergen (nicht etwa im Mittelalter). 

Im Zeichen der weltweit populären Effizienzsteigerungs-Programme müssten mindestens drei Zwerge wegrationalisiert werden. Die restlichen fünf – Mathematiker aufgepasst – werden dank eines ausgeklügelten Outsourcing-Konzeptes nach Indien ausgelagert und mit vier weiteren Kumpels verstärkt, die weitaus effektiver um das (vermeintlich) verstorbene Schneewittchen trauern können als hinter den sieben Bergen. Und billiger. 

Ganz abgesehen davon, wer ist denn so blöd, in einen Apfel zu beissen, dessen Herkunft vollkommen unbekannt ist. Das war mit Sicherheit keine Bio-Frucht aus der Region, verdammt nochmal! Und so etwas wollen wir unseren Kindern vorlesen? Da müssen wir bei allem Mitgefühl für Schneewittchen und unserem Bewusstsein für Gut und Böse konstatieren: Selber schuld. Darwin hatte Recht, die Dummen schaffen es nicht. 

Das alles werden wir der neuen Ombudsstelle für Märchen melden, die sich direkt neben der Ombudsstelle für Rassismus, Sexismus, Rassismus-Sexismus, Anonyme Antialkoholiker, Diskriminierte Haustiere und Carlos befindet. Sicher. Jeder kann da anrufen, zu Bürozeiten. – Also, zu Bürozeiten in Indien natürlich.

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Jeder ein Star

28. April 2013

Den besten Kaffee machen die Italiener. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, so klar wie die Deklaration auf der Tiefkühl-Lasagne: Für das Bier zum Deutschen, für den Strudel zum Österreicher, für die Croissants zum Franzosen und für den kultivierten Kaffee – eben – zum Italiener. Genau das dachte sich Klaus-Theodor, als er zum ersten Mal am Tresen einer bekannten amerikanischen Kaffeekette stand. An der Wand waren ein paar Physikformeln von Albert Einstein aufgeführt, die sich auf seine Nachfrage hin als das Getränkeangebot entpuppten.

Nach heftigen Protestrufen aus der Warteschlange hinter ihm bestellte er einen hundsnormalen Kaffee, einen «Doggy Normal Coffee», um dem langwierigen Beratungsgespräch ein Ende zu setzen. Klaus-Theodor staunte Bauklötze: Da fragte ihn doch die blutjunge Verkäuferin – vermutlich eine Psychologiestudentin mit nymphomanischen Neigungen – nach seinem Namen. «Öh, äh, Klaus-Theodor», stammelte Klaus-Theodor, worauf die Göttin mit einem schwarzen Filzstift tatsächlich seinen Namen auf einen Becher kritzelte. Wenn das nicht Liebe ist.

So war das also hier. Es war eben doch mehr als nur Kaffeetrinken, alle waren so schick angezogen, trugen lässige Freitag-Taschen, teure Sonnenbrillen, Markenjeans und Laptops, – wenn nicht sogar bauchfreie Tops. Das war der Treffpunkt schlechthin, eben keine Kontaktbar wie an der Zürcher Langstrasse, kein Coffee Shop wie in Amsterdam sondern so was wie ein Contact Café. Manche hatten auch ein Kleinkind mit dabei, doch das waren keine herkömmlichen Kleinkinder, die waren alle so unglaublich cool. So urban, irgendwie. Total trendy.

Klaus-Theodor nippelte an seinem Kaffee, schaute ein bisschen hier, ein bisschen da, und fragte sich, was wohl diese Menschen gemacht haben, als es in der Schweiz diese Kaffeekette noch nicht gab. Nach langem Überlegen kam er zum Schluss, dass diese Wesen mit der Eröffnung der Filialen erfunden worden sein mussten. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. – Egal, der Kaffee war jedenfalls gut. So gut, wie Kaffee eben sein kann, der nicht beim Italiener gekauft wird. Klaus Theodor trank aus und machte sich auf den Weg zum Thailänder um die Ecke. – Croissants kaufen.

Jetzt aber Freiheit!

15. Oktober 2011

Ursprünglich geplant als überdimensionierter Froschschenkel, wurde das Geschenk der Franzosen schliesslich als grosse Frau umgesetzt, die irgendwas in die Höhe hält, vermutlich ein Softeis. Sieht irgendwie aus wie die Helvetia auf dem Schweizer Ein-Franken-Stück, nur nicht so hart.

Früher konnte man ins Oberstübchen der Lady Liberty, sich ein bisschen umsehen gehen, denn es ist hohl. Heute ist das angeblich geschlossen, aus Angst vor dem Terror. Vor allem in den letzten zehn Jahren erfreute sich die Angst vor dem Terror einer immer grösseren Beliebtheit. Die US-Wirtschaft krankt aus Angst vor dem Terror, das Budgetdefizit wird grösser und die Beschäftigung sinkt. Und der Analphabetismus in Grossstädten steigt, – aus Angst vor dem Terror.

Jedenfalls ist die Freiheitsstatue im Grunde nicht frei, die Symbolkraft jedoch unbestritten. Dank eines sehr ausgeklügelten und zuweilen auch dehnbaren Rechtssystems haben es die USA mit harter Arbeit geschafft, immer freier zu werden. Man berichtet sogar von Bürgern, die sich derart frei fühlen, dass sie Freier werden. Der Freiheitsdrang der Vereinigten Staaten ist so gross, dass viele andere Länder dank militärischer Interventionen ebenfalls in den Genuss eben dieser Freiheit gekommen sind.

Und genau dafür steht ja im Endeffekt die Statue of Liberty, für Freiheit, Gerechtigkeit und alle diese pathetischen Sachen, die man aus dem Fernsehen kennt. Das verbindet. Am 9/11-Jubiläum hat Herr Obama in seiner Rede ja gesagt, dass sich Amerika weigere, Angst zu haben. Ergo sollen sich die Bürger nicht der Doktrin des Staates fügen, sondern frei sein. Auch frei von Angst.

Es stellt sich allerdings die berechtigte Frage, wie die USA mit der Symbolik eines überdimensionierten Froschschenkels umgegangen wären.

Danke schön, Amerika!

13. September 2011

Am 11. September 1941 wurden die Grundsteine für das amerikanische Pentagon gelegt. Ein grosser Moment. Ursprünglich sollte ja ein Pentagramm entstehen, doch das Gebäude wäre architektonisch zu kompliziert geworden. Manche Mitarbeiter hätten an ihrem Arbeitsplatz niemals Tageslicht gesehen (wobei bei der jetzigen Form manche Mitarbeiter auch einen Schatten haben). Viele Menschen hätten es auch ehrlicher gefunden, wenn das Gebäude in der Form eines Davidsterns gebaut worden wäre. Aber das ist ein anderes Thema.

Das Pentagon schützt die Werte der zivilisierten Gesellschaft, zum Beispiel grenzenloser Kapitalismus und die Freiheit jedes einzelnen. – Also, Freiheit natürlich nur bis zu einem gewissen Grad. Wo kämen wir denn hin, wenn plötzlich alle Menschen in Freiheit und Demokratie leben wollten, selbst Nationen ohne Ölvorkommen. Zudem tut einigen Subjektiven zu viel Freiheit nicht gut, und sie beginnen in absurder Weise an der erfolgreich praktizierten Marktwirtschaft zu zweifeln. Oder gar an der Schuldenwirtschaft.

Im Endeffekt wirkt sich der positive Einfluss des Pentagons auch auf uns Europäer, ja, auf die ganze Welt aus: Nur ein freier, demokratischer Staat kann den unbestrittenen demokratischen Gedanken in die Welt hinaustragen. Und daher tun wir alle gut daran, Amerika dafür von ganzem Herzen zu danken. Danke, USA, danke für den unermüdlichen Einsatz für Friede und Freiheit! Na ja, vielleicht wäre ein Pentagramm doch passender gewesen.

Hasta la victoria

12. April 2011

Offiziell wurde die Schweinebucht von Exilkubanern angegriffen. Fidel Castro allerdings sagte, die Amerikaner steckten dahinter und die Amerikaner sagten, die Sowjetrussen hätten gesagt, dass Castro sagen solle, die Amerikaner steckten dahinter, was die Amerikaner wiederum zu Gedankenspielen anregte, dass es vielleicht besser wäre, die Sowjetunion mit einem Atomschlag zu vernichten. Der Weltsicherheitsrat war ratlos.

Zu dieser ohnehin verzwickten Ausgangslage kommt die Diskussion darüber, ob ein Exilkubaner überhaupt ein Exilkubaner ist, sobald er Kuba betritt. Je nachdem wären ja diejenigen Exilkubaner, die in der Schweinebucht tatsächlich gelandet sind, Kubaner, mit dem Resultat, dass sie gar nicht mehr bekämpft worden wären von der verteidigenden Mannschaft.

Ja, Kubaner schiessen doch nicht auf Kubaner. Ausser natürlich wenn es um Gerechtigkeit geht, oder um Politik, oder um beides, wofür auf Kuba ja Gerichte vorhanden sind. Jedenfalls lassen sich verschiedene Zeitzeugen dieser Schweinebucht-Geschichte heute noch im «Museo de la Revolucion» oder so ähnlich in Havanna bestaunen. Zum Beispiel Teile von abgeschossenen Flugzeugen. Sie sollten einfach nichts anfassen, wie das in Museen üblich ist. Wer sich nicht daran hält, wird auf der Stelle erschossen. Im schlimmsten Fall werden Sie zwanzig Jahre inhaftiert.

Wenn Sie das nicht glauben, liebe Leserin, lieber Leser, dann brauchen Sie gar nicht erst nach Kuba zu reisen. – Haben die Amerikaner gesagt.

Pack die Sense ein, Uncle Sam!

29. März 2010

Gepriesen sei Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ha ha! Da macht also ein dem Tode Geweihter einen Selbstmordversuch (vergleiche Artikel) und überlebt. Also, eigentlich wurde er ja gerettet und wieder aufgepäppelt. Aber überlebt, Hauptsache überlebt. God bless America. Oder so.

Schliesslich muss ein Todesurteil ja würdig vollstreckt werden können. Die eiserne Hand von Vater Staat muss Gerechtigkeit walten lassen. Da ist es doch eher unschicklich, ja unverantwortlich für einen zum Tode Verurteilten, den letzten Service der Justiz zu sabotieren. Ja, geradezu dreist! Unpatriotisch! Ungerecht! Da klagen die Bürger ständig von zunehmendem Dienstleistungsabbau der Staates, – und dann sowas!

Man sollte den undankbaren Lawrence Reynolds abstrafen. Ihm ein Denkzettel verpassen, um andere, verurteilte Bürger von solchen Taten abzuschrecken. Es müsste eine drakonische Strafe sein. Am besten die Todesstrafe!

Wie alles ist es lediglich eine Frage der Perspektive. Die Tat von Lawrence Reynolds könnte Schule machen, das Militär zum Beispiel viel davon lernen: Künftig werden im Gefecht die verwundeten Feinde geborgen und gesund gepflegt, um nachher standrechtlich erschossen zu werden. Gefechte mit amerikanischer Beteiligung gibt es ja genug, für Übungsterrain ist also gesorgt. Wenn das kein Fortschritt ist!

Also, seien wir zuversichtlich. Die Hoffnung stirbt zuletzt (wenn auch hoffentlich nicht durch die Giftspritze). Gepriesen sei das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Schöner schreiben

22. Februar 2010

Mittlerweile kennen Sie die Geschichte aus Austin (Texas). Ein Mann fliegt aus Wut über die amerikanische Steuerbehörde in ein Bürohochhaus. Überall wurde darüber berichtet, so auch in meiner Lieblingszeitung, der Aargauer Zeitung (Ausg. 20.2.2010). Ich zitiere:

Joseph Stack galt als umgänglicher Mann, bis er mit einem Kleinflugzeug in ein Gebäude in Austin raste.

Halten wir kurz inne, um uns diesen Satz genüsslich auf der Zunge zergehen zu lassen. Ooooom. Kurz nachgefragt: Warum gilt Joseph Stack jetzt nicht mehr als umgänglicher Mann? Sind Amerikaner intolerant? Oder gilt er jetzt etwa nicht mehr als umgänglicher Mann, weil er bei seinem Attentat ums Leben gekommen ist? Fragen über Fragen.

Ein wunderbarer Satz, wahrlich. Vielleicht wäre es an der Zeit, den Pranger in der Schweiz wieder einzuführen. Man könnte den verantwortlichen Journalisten dazu zwingen, mit einem grossen Plakat – auf dem eben dieser Satz steht – vor die Uni zu stehen, wenn die Germanistik-Studenten das Gebäude verlassen. Ihn zwingen, den Studenten mit einer Trillerpfeife bis ins Starbucks zu folgen.

Aber eben: Wenn, wenn, wenn. So vieles wäre ganz anders. Josef Stack zum Beispiel wäre ein ganz umgänglicher … – so, Schluss jetzt! Basta!